Das war kein Theater, das war Verkündigung

Zwischenbilanz zu den Passionsspielen - „Wir sind richtig süchtig nach den Spielen"

Passio 2019: Zwischenbilanz zu den Passionsspielen / "Das war kein Theater, das war Verkündigung"- „Wir sind richtig süchtig nach den Spielen"

Lediglich für die Zusatzveranstaltung am Mittwochabend gibt es noch einige Restkarten.  Am Karfreitag hebt sich zum elften und letzten Mal der Vorhang im St.Vither Triangel.  Die Schönberger Passionsspiele, die über mittlerweile drei Jahre gewachsen und gereift sind, werden dann auch in diesem Jahr weit über 5000 Besucher aus nah und fern in ihren Bann gezogen haben.

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von Lothar Klinges

Am Karfreitag herrscht im Kultur-, Konferenz- und Messezentrum ein letztes Mal das sogenannte Passio-Fieber: Sandalen werden geschnürt, Gewänder gewickelt und Tücher festgesteckt, Schleier auf dem Haarschopf befestigt, Darsteller geschminkt, Rüstungen angelegt und Helme aufgesetzt.

Wohl keiner konnte sich bisher der Ausstrahlung dieser großen Gemeinschaftsleistung mit äußerst sensibler Umsetzung entziehen. Nüchterne Worte können kaum das gefühlsstarke und für nicht wenige auch gläubige Empfinden der Zuschauer beschreiben, insbesondere bei der „dritten Dimension“, wie Bischof em. Aloys Jousten die persönliche Zeit der Zuschauer nach der Aufführung einmal beschrieb.

Beim Passionsspiel sind zwar Laien am Werk, aber ihre Darstellung auf zwei Zeitebenen von der Resignation zur Hoffnung bzw. von der Begeisterung zur Kreuzigung  im Leben Jesu ist alles andere als laienhaft.

Zwar liegt das biblische Geschehen mehr als 2000 Jahre zurück, doch ist die Botschaft aktueller denn je, wie es Zuschauer immer wieder mit Blick auf die aktuelle Ebene auf dem Jakobsweg (Camino) bemerken.

Den Zuschauern bietet sich seit Mitte März eine zweieinhalbstündige lebendig-authentische „Inszenierung" mit u. a. dem letzten Abendmahl und der ergreifenden Ölbergszene auf der historischen Ebene. Freude und Schmerz, Erschütterung und Leid, Zweifel und Hoffnung waren auf allen Ebenen bei den Akteuren zu spüren. Die Darsteller(innen) verkörpern die „Passio“ mit Leib und Seele, große und kleine Mitwirkende legen ihr „Alltagsgewand" ab – sie schlüpfen nicht nur in ihre Rollen, sie werden eins mit den Charakteren und tragen so zum einzigartigen Gelingen eines Spieles bei, das mit ausdrucksstarken und bewegenden Momenten in Verbindung mit Musik und Hintergrundbildern die Zuschauer um 2000 Jahre zurück versetzt und sie doch immer wieder in das heutige Leben zurückholt.

Die bisherigen neun Aufführungstermine haben allen Akteuren auf, vor und hinter der Bühne viel abverlangt. „Meine Frau und ich sind richtig süchtig nach den Spielen", meinte der 62-jährige Gerhard Schröder aus Rocherath, der die Rolle des Kaiphas spielt, während seine Frau Monika Rader die Rolle der Johanna darstellt. "Wir haben sehr lange geübt, beherrschen unsere Rolle bis in alle Kleinigkeiten hinein und möchten sie dann auch spielen.", erzählt der pensionierte Postangestellte. "Nach der letzten Aufführung wird das große Loch kommen. Es wird uns etwas fehlen."  Auf die Frage, wie er sich in seiner doch unangenehmen Rolle gefühlt habe, meinte er, dass "Kaiphas" zwar der "Ursprung der Kreuzigung" gewesen sei, er aber sehr gut zwischen dieser Rolle und seiner persönlichen Meinung unterscheiden könne. "Im Laufe der Aufführungen sind wir immer sicherer und stärker geworden. Viele von uns Schauspielern sind im Glauben an Gott und im Glauben an sich selber gewachsen."

Nachdem am vorigen Wochenende der Lütticher Bischof Jean-Pierre Delville an den Passionsspielen in St.Vith teilgenommen hat, war am Samstagabend der Aachener Weih-Bischof Karl Borsch  zu Gast im Triangel. "Das war kein Theater, das war Verkündigung", betonte der 60-jährige gebürtige Krefelder, der vor 15 Jahren zum Bischof geweiht wurde. "Ich habe mich in diesen Tagen auf die Liturgie der Karwoche vorbereitet und habe das Geschehen der heiligen Woche gleichsam hautnah miterleben können. Dafür möchte ich allen Akteuren von Herzen danken." Aus St.Vith nimmt er die Erfahrung mit, dass die Botschaft von Tod und Auferstehung von Menschen, die keine Schauspielerprofis sind, auf einer Weise auf die Bühne gebracht wurde, die ihn tief beeindruckt hat. "Gerade aus der modernen Ebene nehme ich mit, dass der Tod und das schmerzliche Loslassen, das wir alle erleben, nicht das letzte Wort haben, sondern das Leben."

Alfons Velz (67), der seit 2012 zusammen mit Robert Schmetz (64) aus Kelmis ein harmonisches Regie-Duo bildet, ist überwältigt von "dem großen Zuspruch, der sich bis zum Ende der Aufführungen abzeichnet." Die Zuschauer sind aktiv aufmerksam, mit dem Herzen ganz dabei, so wohlwollend und entgegenkommend. Das sei "einfach fantastisch, denn davon leben wir". Die Echos sowohl nach den Aufführungen im Foyer des Triangels als auch im Gästebuch seien positiv. "Die Menschen haben insbesondere verstanden, dass die Botschaft Jesu, der Leidensweg Jesu sehr wohl etwas mit ihrem Leben zu tun hat, denn jeder trägt sein eigenes Kreuz. Nur in Gemeinschaft und im gegenseitigen Tragen des Kreuzes können wir das Leben bestehen. Das ist im Grunde die Botschaft, die wir über die Passionsspiele vermitteln möchten."

Den Regisseuren war es wichtig, keine uralte Geschichte zum tausendsten Male zu erzählen, sondern Dinge zu hinterfragen, wie zum Beispiel die Stellung der Frau. "Hierzu haben wir viele Echos erhalten, wie auch zu dem Thema der Überheblichkeit einer Religion der anderen gegenüber, die nicht selten zu Kriegen geführt hat. Leider verfallen die Religionen in einen gewissen Formalismus. was man hinterfragen muss, denn genau das hat Jesus gemacht. Wir wollen den Glauben lebendig erhalten, nicht indem man an Strukturen festhält."  Diese Botschaft hätten sie versucht zu vermitteln, was ihres Erachtens auch gut gelungen sei. Mit dem Ineinandergreifen der verschiedenen Ebenen wird gezeigt, dass es sich um eine einzige nahtlose Geschichte des immer wieder Loslassens handelt. "Das Damals ist das Heute und das Heute ist das Damals."  Vor und nach jeder Aufführung trifft sich das Regie-Duo mit den Schauspielern und stellt fest, dass sich bei manchen Spielern wieder "eine neue Sicht" entwickelt hat, so z.B. in der Rolle der Blinden oder auch des Kaiphas, die mit der Zeit immer mehr den richtigen Ton gefunden haben und so die Rolle noch überzeugender spielen konnten. "So lernt man auch schauspielern, indem man sich in eine Rolle hineinarbeitet, gedanklich aber immer noch sich selbst bleibt", unterstreicht Alfons Velz, der die Karwoche als eine Zeit erlebt, die etwas mit seinem Leben zu tun hat.

Marlene Backes, Präsidentin des Schönberger Passio-Teams, zieht eine sehr positive Zwischenbilanz von den Passionsspielen. "Das Publikum ist wunderbar, eine sagenhafte Ruhe  und eine große Aufmerksamkeit herrschen im Saal.  Man hört fast eine Stecknadel fallen." Sehr viele Zuschauer bleiben nach den Aufführungen im Foyer, reden miteinander, tauschen aus. "Das ist unser Anliegen, die Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen, damit sie sich mit der Botschaft Jesu auseinandersetzen und diese in ihren Alltag integrieren.  Jeder hängt seinen Gedanken auf dem Heimweg nach. Der eine oder andere hat vielleicht eine ähnliche Geschichte erlebt." Für Marlene Backes ist das Anliegen erreicht, die Menschen anzuregen, sich mit dem Geschehen der Passion zu beschäftigen. 

Auch Vizepräsident Rudi Kohnen zieht eine äußerst positive Zwischenbilanz."Die Zuschauer wünschen sich in fünf Jahren wieder eine Neuauflage der Passionsspiele."  Die Schauspieler seien im Laufe der Aufführungen immer mehr zusammengewachsen und viel freier geworden. 

Passio-Schriftführer Hermann-Joseph Christen, der ebenfalls für die Kontakte zur Europassion zuständig ist, zeigte sich hellauf begeistert. Bei der Premiere nahmen Mitglieder von 13 Passionsorten aus ganz Europa als Gäste teil, darunter auch Gäste aus Slovenien, die sehr begeistert waren. Schönberg ist Mitglied der Europassion, eines Dachverbandes von 82 Passionsspielorten in Europa. "Jeder Passionsort stellt das Leiden und die Auferstehung Jesu anders dar, und das ist auch so gewollt und gut."

Die aus Indien gebürtige Augustiner-Ordensfrau, Sr. Sheela, vom Kloster St.Vith, hatte anfangs nicht damit gerechnet, überhaupt eine Rolle in den Passionsspielen übernehmen zu können. "Alfons Velz hat mich gebeten, die Rolle der Samariterin zu spielen. Meine Mitschwestern und ich haben uns darüber sehr gefreut. Jetzt habe ich viele Menschen kennengelernt und eine große Familie gefunden." Auch in Indien kennt die Ordensfrau das Passionsspiel. "Ich selbst habe 1980 in Indien zum ersten Mal an Passionsspielen aktiv teilgenommen." Für Marcel Henn aus Kelmis, der bei den dortigen Passionsspielen die Rolle des Judas spielte und ebenfalls im St.Vither Triangel auf der Bühne steht, spielt das "Zwischenmenschliche in den Passionsspielen die primäre Rolle." Beide Spielarten, ob in Kelmis oder in Schönberg, hätten ihre Daseinsberechtigung. "Der Vergleich mit der modernen Ebene mit dem roten Faden des Camino fasziniert mich immer wieder an Schönberg." Den Regisseuren sei es wirklich bestens gelungen, die biblische Ebene mit dem aktuellen Leben zu verbinden.

Und wie geht es weiter, fragten wir Alfons Velz? "Wir sollten jetzt daran arbeiten, dass sich ein neues Team bildet mit jungen Regisseuren, damit ich mich in die zweite Linie zurückziehen kann, denn in fünf Jahren möchte oder kann ich nicht nochmals die Hauptverantwortung tragen."


Passio 2019: Sechste Schönberger Passionsspiele in St.Vith uraufgeführt.

Vom Pilgerdrama und Loslassen bis hin zur Auferstehung

Passionsspiele, die in der Gegenwart spielen. Das ist das Markenzeichen der  Schönberger Spiele, die am Wochenende uraufgeführt wurden. Bei diesem Projekt unter dem Leitgedanken „Loslassen" werden nicht nur traditionell markante Szenen aus dem Leben Jesu bis hin zu seinem Leidensweg am Kreuz dargestellt, sondern parallel dazu wird eine aktuelle Geschichte erzählt, in der der Unfalltod von David auf dem Camino (Jakobsweg) als zentrale Botschaft steht.

Von Lothar Klinges


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Bei den Schönberger Spielen wird mehr gezeigt als die Leidensgeschichte Jesu. Während es 2012  um Trauer und Schuld ging, dient seit den ersten Planungen im Sommer 2017 der Jakobsweg als Ausgangspunkt, um zwei große Themen anzusprechen: die Weltreligionen und ihr Spannungsfeld sowie die Stellung der Frau in den Religionen. Der Camino liefert Leitbild und Atmosphäre. Hier wird die Geschichte von Jakob erzählt, eindrucksvoll und glaubwürdig verkörpert von Reinhold Collas aus Halenfeld.

Jakob ist ein erfolgreicher Aachener Augenarzt. Sein 30-jähriger Sohn David (Mike Brüls aus Büllingen) hat seine Doktorarbeit abgebrochen und ist nach Frankreich gereist, um den Jakobsweg zu gehen und – im Gegensatz zu seinem Vater – mehr von der Welt zu sehen.

Beim Golfspiel mit Freunden ereilt Jakob die Nachricht, dass David bereits am ersten Tag seines Weges in den Pyrenäen während schlechten Wetters ums Leben gekommen ist. Jakob reist nach Saint-Jean-Pied-de-Port um Davids Leiche abzuholen und nach Hause zu bringen. Nach einigen Gesprächen beschließt er jedoch, sich auf den alten, rund 800 Kilometer langen Pfad Richtung Santiago de Compostela zu begeben. Auf dem Weg dorthin will er die Asche Davids am Wegesrand verstreuen. Diese Figur lehnt sich an Motive aus dem Film “Dein Weg” von Emilio Estevez an (2010).

Zunächst allein, trifft Jakob unterwegs weitere Pilger, die alle auf der Suche nach mehr Sinn in ihrem Leben sind. Mit Dreien von ihnen findet er sich zunächst widerstrebend zu einer Gemeinschaft zusammen. Peter (Richard Hoffmann aus Rodt) ist ein übergewichtiger Belgier, der den Camino zum Abnehmen gehen will. Er ist ein freundlicher, kommunikationsfreudiger Mensch, der jedoch für Jakobs Geschmack zu viel und unüberlegt redet. Als nächstes trifft Jakob eines Abends auf Alisha (Anja Backes aus St.Vith), die vor ihrem gewalttätigen Ehemann flieht, sich von ihm getrennt hat und den Camino nutzt, um mit sich selbst ins Reine zu kommen. Zu dritt treffen sie auf eine weitere Pilgerin, Karoline (Teresa Krämer aus Wallerode), die eher lustlos den Weg der Oma zuliebe geht, eine Umkehr erlebt und den tieferen Sinn des "Camino" erkennt. Auf dem Weg begegnen ihnen immer wieder weitere Pilger.

Unterwegs erlebt Jakob immer wieder kurze Visionen von David, der ihm am Wegesrand oder unter Menschen erscheint und meist kurz zulächelt. Diese Geschichte wird immer wieder vertieft durch die Szenen der Jesus-Ebene. Diesmal gehen die beiden Regisseure sogar so weit, dass sie beide Ebenen nicht nur nahtlos ineinander übergehen lassen sondern sogar wirklich ineinanderfließen lassen, was den Zuschauer auf den ersten Blick vielleicht verfremden mag, ihm aber letztlich die Aktualität und Verbundenheit mit seinem eigenen Leben und dem Heute spüren lässt.

Von Anfang an war deutlich, dass es sich bei der Aufführung – trotz der unterschiedlichen Ebenen -  um ein einziges Passionsspiel handelt, da das Zusammenspiel der Ebenen gleitend ineinander übergeht.  „Man sah, wie sich die Spieler(innen) von der einen in die andere Ebene begaben, um gerade deutlich zu machen, dass die Botschaft Jesu auch für heute gilt und immer aktuell bleibt“, betonte Marlene Backes, die Vorsitzende der Passionsgruppe Schönberg. Das Verschmelzen der 27 Szenen auf zwei Ebenen will die Jesus-Geschichte für uns heute erfahrbar machen und bewusst Parallelen aufzeigen, erläuterte Robert Schmetz, der zusammen mit Alfons Velz ein harmonisches Regie-Duo bildet.

Regisseur Alfons Velz, der bereits zum vierten Mal die Passionsspiele leitet, war sehr zufrieden mit den nahtlosen Übergängen zwischen den Szenendarstellungen. Gerade im Triangel ist es möglich, ohne großen Aufwand eine „wunderbare Atmosphäre ohne Gefühlsduselei“ zu erzeugen, weil alles vorhanden ist und die Aufführung „von Anfang bis Ende wie ein Fluss auf die Zuschauer einwirken kann“.  Zwischen den Szenen gab es keinen störenden Umbau, die wenigen Requisiten waren vielseitig einsetzbar und wurden von den Akteuren selbst ins Spiel hineingetragen.

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Auseinandersetzung mit "Loslassen" in unserer Zeit

"Nicht nur ein Spiel, ich lebe die Person immer mehr"

Bei den Passionsspielen steht mit Darsteller Lothar Krämer zum vierten Mal eine Person im Mittelpunkt des Geschehens: Jesus Christus mit seiner Botschaft. „Ich bin sehr dankbar, nochmals die Jesus-Rolle übernehmen zu dürfen, denn es ist jedes Mal ein "In sich gehen" und eine Auseinandersetzung mit der Person Jesu“, erklärte der 56-jährige Schönberger, der vor 21 Jahren erstmals diese Rolle übernommen hatte. "Heute bin ich viel gelassener in dieser Rolle, was sich auch ins Spiel überträgt, und es macht mich noch freier, diese Rolle, die ich wie mein Leben schätze, zu spielen, insbesondere die Abendmahlszene, weil es dieser Jesus ist, den ich in mir trage."  

"Die Rolle des Vaters Jakob in der aktuellen Ebene ist das Gegenteil von dem, was mich ausmacht", erklärte Reinhold Collas (59). "Ich bin eher ein fröhlicher Mensch und muss im Spiel vor allem den knurrigen Menschen spielen." Das ist für ihn ein besonderer Anreiz, mehr und mehr in diese Rolle hineinzuwachsen. "Die Darstellung des Vaters Jakob berührt mich persönlich sehr, wenn ich z. B. die Nachricht vom Tode meines Sohnes David erhalte. In diese Rolle muss ich mich so hineinversetzen, als wäre mein eigenes Kind gestorben. Nur so kann ich die Person echt darstellen."  Die Szene am Ende, beim Ablegen der Steine am Kreuz und der Moment des Zusammenstehens in Santiago, berühren Reinhold Collas besonders.  Anfangs war es für ihn ungewohnt, als Jakob der aktuellen Ebene auch in den biblischen Szenen aufzutauchen, was verdeutlicht, wie beide Ebenen eine Einheit bilden und den Zuschauer zur Auseinandersetzung anregt."Es ist nicht nur ein Spiel, denn die Person spiele ich nicht nur, ich lebe sie immer mehr." Mike Brüls (30) spielt auf der aktuellen Ebene den toten David, der immer wieder in vielen Szenen ohne Worte auf der Bühne steht und die Rolle des definitiven Loslassens im Tod, darstellt.

Alle Laiendarsteller schaffen es, auf eine sehr natürliche Weise mit ihrer Botschaft  das Herz der Zuschauer zu berühren, das  im Laufe der Aufführung mehr und mehr aufgeht, bis hin zu bewegenden Tränen.  Mehr noch: die Zuschauer stehen im Herzen mitten auf der Bühne,  weil es mit der Auseinandersetzung des Loslassens auch um ihr Leben geht. So sind die Passionsspiele nicht nur eine eindrucksvolle Aufführung, sondern werden sogar zu einem Erlebnis der Begegnung mit Gott, freilich bei der nötigen Offenheit im Glauben, die nicht zuletzt auch bei den Spieler(innen) spürbar ist, die sich vor jeder Aufführung zunächst zum Gebet versammeln.

Mit einem Bericht und wenigen Fotos darüber zu berichten, wird dem Charakter der Schönberger Passion sicherlich nicht gerecht. Denn beim Lesen bleibt man Zuschauer, doch die ganze Inszenierung ist durchdrungen von dem Bemühen, die Zuschauer zu beteiligen: sie werden zu Mitgehenden auf dem Weg Jesu von der Begeisterung  über die Heilung der Blinden bis zum Kreuz, während sie auf der Ebene der aktuellen Geschichte vom Loslassen zu neuem Lebenssinn direkt angesprochen werden.

Das Bemühen, die Jesus-Geschichte in die heutige Zeit lebendig werden zu lassen, ist ständig spürbar. Am Ende werden die Zuschauer Zeugen der Hoffnung auf ein neues Leben, das immer wieder geschehen kann, wenn sie sich der schmerzlichen Erfahrung des Loslassens stellen. Gleichzeitig werden sie mit Jakob herausgefordert, in ihrem Leben Jakobs-Wege zu gehen, und sich dabei von Christus begleiten zu lassen.  (kli)

Gespräch mit dem Regie-Duo Alfons Velz und Robert Schmetz

"Das Damals ist das Heute und das Heute ist das Damals"

Seit Mitte März wird nun zehn Mal  für zwei Stunden die Passion Jesu lebendig. Ohne Pause  verfolgen die Zuschauer die Aufführungen, die bei vielen einen tiefen Eindruck hinterlassen. Passende Lichteffekte, eine feinfühlige musikalische Umrahmung und nicht zuletzt große „sprechende“ Hintergrundbilder, welche die Übergänge begleiteten und für die Robert Schmetz verantwortlich zeichnet, begleiten eine Inszenierung, die niemanden unberührt lässt und zu einem tiefen, nachhaltigen Erlebnis wird, das mit den aufgeworfenen Fragen im Alltag weitergehen will. Originell sind nicht zuletzt die Bilder zur Kreuzigung und zum Abendmahl wie auch die sozialkritischen Fotos z.B. von Flüchtlingen zu verschiedenen Szenen, die immer wieder einen Bezug zu Heute herstellen wollen. "Das Suchen von passenden Hintergrundbildern war sehr zeitintensiv", erzählt Robert Schmetz.  Die Bilder der biblischen Szene sind wie ein Gemälde eher abstrakt, während die Fotos der aktuellen Ebene auch Landschaften darstellen und das Damals und das Heute verschmelzen wollen. Die Bilder wollen zum Nachdenken anregen und Lust auf Austausch geben, "was in unserer Welt so selten geschieht." Auch in der Gruppe haben sich die Spieler immer wieder voreinander geöffnet und viel miteinander geredet. "Mir war es wichtig, dass sich die Schauspieler auf der modernen Ebene immer auf den Weg befinden, denn auch unsere Welt läuft ständig, ohne Stillstand, und wir mit ihr, um in ihr zu funktionieren."

"Ich spüre, dass bei den Spielern eine gewisse Müdigkeit auftaucht, sie brauchen nunmehr wieder etwas Adrenalin, d. h eine erneute Motivation von außen,  von den Zuschauern", meinte Regisseur Alfons Velz, der zusammen mit Robert Schmetz ein Tandem bildet. In dieser Phase befinde sich die Gruppe zurzeit, um das Spiel mit Schwung und  Kraft darstellen zu können. Er ist froh, dass alles reibungslos geklappt hat und freut sich auf viele Aufführungen, um eine wichtige Botschaft rüberzubringen. "Die Massenszenen sind immer eine starke Herausforderung und als Regisseure sind wir da vielleicht ein wenig zu ungeduldig", erzählt Alfons Velz. Die Szenen am offenen Grab und am  Ölberg ("Jesus sorgt sich, seine Jünger loszulassen")  berühren ihn immer wieder neu, weil auch hier eine aktuelle Botschaft (das bedrohende Umfeld, die Flüchtlinge) vermittelt wird.  Mit dem Ineinandergreifen der verschiedenen Ebenen wird gezeigt, dass es sich um eine einzige nahtlose Geschichte des immer wieder Loslassens handelt. "Das Damals ist das Heute und das Heute ist das Damals." Angesichts der Demonstrationen für mehr Klimagerechtigkeit stelle sich heute die Frage, ob wir bereit sind, unser jetziges Leben loszulassen, um uns auf einen neuen Weg zu begeben.  "Das ist die große Botschaft, die wir vermitteln wollen, und damit sind wir heute aktueller denn je."  Während der Proben setzen sich die Schauspieler intensiv mit ihrem Leben  auseinander, um ihrer Figur eine persönliche Geschichte zu geben.  Jeder bringt sehr viel von sich selber mit.  Der ständige Austausch in der Gruppe schweißt die Gemeinschaft zusammen. Der Austausch nach dem Stück mit Zuschauern ist den Regisseuren sehr wichtig, "weil uns, die Akteure und Zuschauer, die Gespräche weiterbringen."  Dem Regie-Duo liegt es fern, den Zuschauern Lehren aufzudrängen oder gar die Leiden der Karwoche physisch nachfühlen zu lassen. Daher verzichten sie auf allzu emotionalen Momente wie man sie beispielsweise mit einem detailreichen Kreuzigungs-Szenario erzeugen könnte. Auch verlassen sie bewusst den Rahmen der traditionellen Passion und betten Szenen aus dem gesamten Wirken Jesu ein, die zu den Leitthemen passen, wie die Stellung der Frau bei der Steinigungs-Szene oder den Stellenwert anderer Religionen in der Szene der Samariterin.  (kli)

STIMMEN

Nach der Erstaufführung der Passionsspiele befragten wir einige Personen nach ihren Endrücken.

Bürgermeister Herbert Grommes: "Die Darsteller wie auch die Menschen hinter den Kulissen haben eine große Leistung vollbracht. Die Darsteller sind hervorragend aus sich herausgekommen, um ihre Rolle mit Leben zu erfüllen. Beeindruckt war ich von der aktuellen Ebene, wie Menschen zueinander gefunden haben, einander nahe gekommen sind, sich ausgesprochen und versöhnt haben."

1. Schöffe René Hoffmann: "Die Jesus-Geschichte verbunden mit den Erlebnissen auf dem Jakobsweg hat mich sehr bewegt, besonders die Szene, als der Vater Jakob die Urne ein erstes Mal öffnet und im Gedenken an seinen Sohn David verstreut, der einen Weg des Loslassens und des Findens zurückgelegt hat."

Bischöfliche Delegierte Fina Keifens: "Beeindruckend, wie das Leben Jesu in die heutige Zeit aktualisiert wurde und jeder sich auf diesem Weg zurückfinden kann. Es gibt keine fertigen Antworten auf alle Fragen. Die Szene der Heilung der Blinden war sehr ausdrucksvoll, besonders als die Blinde Jesus suchte, um den zu finden, der sie geheilt hat. Es war spannend zu erleben, wie sich unterschiedliche Menschen auf dem Jakobsweg treffen und spüren, das sie etwas Entscheidendes verbindet, ihre Verletzungen ausdrücken können, sich öffnen und einen Weg für sich finden."

Dechant Claude Theiss: "Das Ineinandergreifen der modernen und der Jesus-Ebene hat mich froh gemach, aber auch, dass gewagt wurde, auf der Jesus-Ebene aktuelle, kritische Fragen mit einzubeziehen wie z. B. die Stellung von Mann und Frau. Auf der modernen Ebene haben sich die Menschen, die vorher verschlossen waren, füreinander geöffnet, während sich Menschen auf der klassischen Ebene immer mehr verschließen und Jesus keinen Raum mehr geben."

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Der Countdown läuft. Nur noch zwei Wochen, dann startet in St.Vith ein ehrgeiziges und einzigartiges Projekt, das weit und breit seinesgleichen sucht. Die Schönberger Passionsspiele, die über mittlerweile zwei Jahre gewachsen und gereift sind, werden auch in diesem Jahr wohl 5000 Besucher aus nah und fern in ihren Bann ziehen.

von Lothar Klinges

  Fotos von den Proben:

  Fotos von den Proben

Die Passion bestimmt seit vielen Monaten für etwa 80 Spieler(innen) und fast ebenso vielen Mitarbeiter(innen) hinter den Kulissen die Zeitrechnung. Es gibt „vor der Passion“ und „nach der Passion“. Alles im persönlichen Bereich behält man sich für „danach“ auf. Am 23. März ist es soweit: Premiere im Triangel, wo die technischen wie kreativen Voraussetzungen ungleich größer sind als am angestammten Platz in Schönberg, wenngleich die Gesamtleitung dieses Großereignisses nach wie vor in den Händen des Organisationsteams aus den Pfarren Schönberg und Mackenbach liegt.

In einer Fest- oder Turnhalle wie der von Schönberg sei Theateratmosphäre und das logistische Drumherum von Garderobe bis Beleuchtung nur mit großem personellem, zeitlichem und finanziellem Aufwand zu bewältigen,  erklärt Alfons Velz, der zusammen mit dem erfahrenen Spieler Robert Schmetz  aus Kelmis das Regie-Duo bildet. "Außerdem haben wir im Triangel die Möglichkeit, mittels einer ganz großen Leinwand unzählige Bühnenbilder zu projizieren, die nicht nur Hintergrund und Stimmung vermitteln, sondern darüber hinaus noch deutliche Botschaften transportieren können", betonen die beiden Regisseure, denen trotz „Ausnahmezustand“ eine sagenhafte Ruhe anzumerken ist. Die Passionsspiele bleiben die Schönberger Spiele mit ihrer typischen Verflechtung der Gegenwart mit der biblischen Ebene,  auch wenn mehr und mehr Spieler und Mitarbeiter aus ganz Ostbelgien und darüber hinaus mitwirken.

Am Anfang der Überlegungen zu den sechsten Schönberger Spielen hatte das Organisationsteam im Sommer 2017 mehrere zentrale Themen festgelegt: die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Weltreligionen, die - teils damit direkt verbundene - Frage nach dem Stellenwert der Frau und nicht zuletzt das Loslassen und die Bereitschaft, unsere Lebensweise in Frage zu stellen. Themen, die sich heute, zwei Jahre später, immer noch, sogar mit verstärkter Kraft, in den Vordergrund drängen, unterstreichen die Regisseure. "Die Proteste der Gelbwesten und die Demonstrationen der jungen Klima-Aktivisten zeugen davon." Zu diesen Themen wurden die passenden Bibelszenen ausgewählt und in eine moderne Rahmenerzählung eingebunden. "Schließlich haben wir uns für den Jakobsweg entschieden, denn er bietet Raum für Suche, Gespräche und Konflikte." Die Anregung dazu und einige Motive für Figuren oder Handlung hat ihnen der Film „Dein Weg“ von Emilio Estevez aus dem Jahre 2010 geliefert.

Nunmehr begannen die beiden Regisseure mit der Konstruktion der Geschichte, wo Szenen und Botschaften aus den Evangelien nahtlos in Episoden des Jakobsweges übergehen oder sogar mit ihnen zusammenfließen. Am Ende des Recherche- und  Schreibprozesses stand im Frühsommer 2018 eine einzige Geschichte mit dem Titel „Loslassen“. Dieser Titel ist der rote Faden, der sich durch alle 27 Szenen - modern wie klassisch - zieht. "Das Damals wird zum Heute und das Heute ist das Damals." Bis zum definitiven Text war allerdings noch ein weiter Weg zu gehen. Der erste Schritt führte über Kennenlernspiele, Vertrauensübungen und Improvisationsphasen mit den Spielern. In einem zweiten Schritt wurden Texte von den Spielern selbst entworfen und vorgetragen. Das so angereicherte Script diente ab Dezember 2018 als Unterlage für das Stellen und erste Einproben der Szenen. Der Text - der übrigens im Internet für die Spieler immer in der neuesten Fassung zugänglich war - erfuhr auch dann noch ständig Veränderungen, Anpassungen, Erweiterungen oder Kürzungen. Der letzte Monat vor der Premiere diente als dritter Schritt, als Festigung und bühnenmäßige Ausgestaltung des Erarbeiteten.


Das Wort “Passionsspiel” weckt bei Männern des öfteren "Fluchtreflexe"

Seinem Leben eine neue Richtung geben

Bei den Schönberger Passionsspielen gibt es jedes Mal Neuheiten. Was diese Spiele unter den rund achtzig europäischen Passions-Inszenierungen auszeichnet, ist die bewusste Verzahnung der klassischen und modernen Szenen zu einer einzigen Geschichte. Als Konsequenz wurden diesmal nur Bibelszenen verwendet, deren Botschaft dem Motto „Loslassen“ entspricht. Dass dabei der allseits bekannte Rahmen des traditionellen Leidensweges von Palmsonntag bis Karfreitag gesprengt wird, versteht sich von selbst.

Die Bereitschaft, seinem Leben eine neue, andere Richtung zu geben, sich bewusst für einen Lebenssinn oder Lebensweg zu entscheiden, steht im Mittelpunkt. Für einen solchen Ablöseprozess von ausgetretenen Pfaden gibt es im menschlichen Leben immer wieder innere oder äußere Anstöße. "Wer sich ihnen stellt, macht tiefe Erfahrungen, trifft einschneidende Entscheidungen und begibt sich auf eine spannende, oft schmerzliche, aber meist fruchtbare Reise. Dies gilt für beide Ebenen, die klassische und die moderne", erklären die Regisseure.

Es war nicht einfach, Männer und jüngere Menschen unter 40 Jahren als Schauspieler zu finden. Für Alfons Velz und Robert Schmitz liegt es vielleicht daran, dass es bei den Rollen oft ums Eingemachte geht. Frauen seien eher bereit, sich öffentlich mit schweren Themen wie Verlust, Angst, Enttäuschung und Veränderung auseinanderzusetzen. Schon das Wort “Passionsspiel” wecke bei Männern des öfteren "Fluchtreflexe". Nur intensives Gespräch darüber, was die Spiele ausmachten, half bisweilen, Männer zu überreden, mit einzusteigen. Ähnlich ist es bei jungen Menschen. "Sind sie aber einmal eingestiegen und haben sie einmal die intensive Gruppendynamik erfahren, werden sie schnell zu begeisterten Akteuren."

Vor sieben Jahren waren die Regisseure sehr froh, direkt nach dem Passionsspiel im Foyer des Triangel mit den Zuschauern austauschen zu können. "Die Begeisterung direkt zu spüren oder Kritik aus erster Hand zu erleben, vor allem aber Fragen gestellt zu bekommen und in Gespräche über einzelne Aspekte der Spiele hinein zu gleiten, war für uns alle sehr bewegend und motivierend." Auch in diesem Jahr streben sie an, die Zuschauer nicht mit vorgekauten Botschaften nach Hause gehen zu lassen, sondern dazu beizutragen, dass sie viele Fragen und viel Gesprächsstoff für die ganze Familie im Gepäck nach Hause tragen.


NACHGEFRAGT

Robert Schmetz und Alfons Velz, Regisseure

Wir wollen Fragen und Denkanstöße liefern

Seit 2012 bilden Robert Schmetz (64) und Alfons Velz (67) ein harmonisches Regie-Duo. Beide sind zum vierten Mal dabei. 2003 und 2007 war Alfons Velz Regisseur und Robert Schmetz ein äußerst engagierter Spieler, seit 2012 bilden sie ein eingespieltes Gespann.  Mit den beiden Regisseuren führten wir folgendes Interview.

Zum wiederholten Mal in Folge engagieren Sie sich als Regisseure bei den Passionsspielen. Was bewegt Sie, diese große Herausforderung anzunehmen?

Ja, es ist wieder eine Herausforderung, denn die Begegnung mit der Passion Christi ist eine Begegnung mit allen möglichen Facetten menschlichen Hoffens und Leidens, Versagens und Bestehens. Sehr viele existenzielle Fragen werden dort angesprochen, die auch heute die Menschen begeistern, sie im Kern ihrer Existenz treffen oder bei ihnen Veränderungen bewirken können. Hinzu kommt noch die spirituelle Ebene. Alles in allem also eine Stoffsammlung, eine Themenmischung, die für Hobby-Regisseure einen besonderen Reiz darstellen.

Sind Passionsspiele in einer materiell ausgerichteten Welt noch zeitgemäß?

Wenn wir davon nicht überzeugt wären, würden wir die Mühen dieses Projektes nicht auf uns nehmen. Wir meinen, dass das Phänomen Jesus in Interaktion mit seinem damaligen Umfeld auch heute noch von großer Aktualität und Durchschlagskraft ist und für jeden Suchenden eine Quelle der Erfahrung und Inspiration sein kann. Unser Spiel versteht sich als Angebot, die Botschaft Jesu im heutigen Kontext auf den Prüfstein zu stellen. Das kann streckenweise sogar durchaus unterhaltsam sein. Wir wollen Fragen und Denkanstöße liefern, immer wieder neue Ansätze suchen. Unser Bestreben ist es nicht,  eine fertige Botschaft zu verbreiten oder eine seit Jahrtausenden bekannte Geschichte zum x-ten Male zu wiederholen.

Social Media ist das Schlagwort der Stunde. Auf Facebook, Instagram und Twitter wird die Frohe Botschaft verstärkt verbreitet. Sind Passionsspiele ein Auslaufmodell?


Fakt ist, dass der Trend uns medialen Menschen nicht gerade viel Muße lässt, uns über Monate hinweg einem einzigen Themenkreis zu widmen, Texte zu schreiben, Szenen zu improvisieren, zu proben ...Die Schönberger Spiele werden bekanntlich jedes Mal völlig neu konzipiert und größtenteils neu geschrieben, die Gegenwarts-Ebene sogar vollständig. Einen solchen Kraftakt im Rhythmus von wenigen Jahren immer wieder neu zu stemmen, ist keinesfalls selbstverständlich. Es bleibt dennoch die Hoffnung, dass sich auch in Zukunft Menschen bewusst für einige Zeit aus diesem Trubel herauslösen und das Abenteuer Passion wagen.

Wie sehen Sie die Zukunft der Schönberger Passionsspiele?

Von der Fülle der Handlungsmotive und den Möglichkeiten, schwerpunktmäßig neue Akzente menschlichen Miteinanders aktuell und ansprechend in Szene zu setzen und auf die Bühne zu bringen, bleiben Passionsspiele wie die von Schönberg immer eine interessante und reizvolle Herausforderung. Ob es eine Zukunft für die Spiele gibt, hängt also nicht von inhaltlichen Fragen ab. Sie wird hingegen in großem Maße dadurch bestimmt, ob sich auch in Zukunft noch junge Menschen und Männer von der öffentlichen Beschäftigung mit Fragen des Lebenssinns anziehen lassen. Wenn es nicht gelingt, immer wieder junge Leute und Männer mit auf den Weg zu bringen, fehlt dem Passionsspiel eine lebenswichtige Säule.


Passionsspiele: Die Überzeugung und innere Bereitschaft der anderen ist eine Bereicherung

"Phantastisch, ein Projekt gemeinsam auf die Beine zu stellen."

St.Vith

Die Parallelität, ja besser noch das ständige Ineinandergreifen der klassischen Passion Christi und der modernen Gegenwarts-Ebene gibt den Schönberger Passionsspielen, die  für jede neue Auflage ein neues Konzept und einen neuen Text erfordert,  ihre besondere Würze, da der Zuschauer herausgefordert ist, das Leben Jesu durch die eigene Brille zu betrachten.

von Lothar Klinges

Szenen aus dem Leben Jesu in biblischen Kostümen gehen nahtlos in Bilder aus dem aktuellen Leben über, die Empfindungen verschmelzen miteinander. Diesmal wird noch einen Schritt weiter gegangen. Figuren beider Zeitebenen befinden sich zeitgleich auf der Bühne, so dass Spieler wie Zuschauer Schritt für Schritt spüren, wie nah die Passion Christi ihrem eigenen Leben ist, wo ein jeder auch loslassen muss.

Trotz der beiden Ebenen handelt es sich bei der Aufführung der 27 Szenen um ein „einziges“ Passionsspiel, da das Zusammenspiel der Ebenen gleitend ineinander übergeht. Beim Passionsspiel sind zwar Laien am Werk, aber ihre Darstellung rund um das Thema "Loslassen" ist alles andere als laienhaft. Wir unterhielten uns mit einigen Spielern der Schönberger Passionsspiele.

Ulrike Ramakers aus Eynatten, die auf beiden Ebenen mitspielt, konnte mit dem Leben Jesu und der hl. Schrift wenig anfangen. Die Passionsspiele, an denen die 62-jährige pensionierte Mutter und fünffache Großmutter zum zweiten Mal teilnimmt, habe sie den Glauben neu entdecken und gerade durch die beiden Ebenen erkennen lassen, dass Gott ihr im täglichen Leben nahe ist.

Die 22-jährige Teresa Krämer aus Wallerode, die auf der modernen Ebene als "Karoline" eher lustlos den Jakobsweg der Oma zuliebe geht und erst allmählich den tieferen Sinn des "Camino" erkennt, fordern nicht wenige Szenen zum Nachdenken über ihr Leben heraus. Die Zusammenarbeit zwischen den jüngeren und älteren Mitspielern gestalte sich problemlos und sie fühle sich trotz Altersunterschied in der Gruppe sehr wohl. Leider tun sich junge Menschen schwer mit dem Glauben. Insbesondere die moderne Ebene zeichnet eine Verbindung zwischen der damaligen Leidensgeschichte und dem heutigen Leben. Gerade hier finde sich ein junger Mensch, ob gläubig oder nicht, zurück.

Die Rolle der "Kontrafrau 1" ist laut Ingrid Roth erst während den Proben entstanden, als festgestellt wurde, dass es früher auch Frauen gegeben haben muss, die Position gegen Jesus genommen haben. "In dieser Rolle konnte ich gut nachvollziehen, dass manche Frau Angst vor den revolutionären Ideen Jesu, der Gleichheit für alle predigte, gehabt hat, war doch die Frau dem Mann untertänig." In dieser Rolle der "Kontrafrau" findet sich die 60-jährige Büllingerin wieder, da auch sie so manche Zweifel hegt, Neues zunächst hinterfragt und Unterstützung braucht, um sich dem Neuen nicht abzuwenden.  Das Mitwirken in der Passio-Gemeinschaft trägt sie und stärkt ihren Glauben. Die Überzeugung und innere Bereitschaft der anderen zu spüren, erlebt sie als Bereicherung, an der sie im Leben wachsen kann.

Die aus Indien stammende Augustiner-Ordensfrau Sr. Sheela im Kloster St.Vith erlebt ihre Rolle als "Samariterin" als eine spannende Auseinandersetzung mit dem Wort Gottes. Das Ineinandergreifen der beiden Ebenen begeisterte sie besonders, da es eine stete Herausforderung sei, das Leben Jesu in das Heute zu übersetzen. Als Inderin und Ordensfrau fühle sie sich in der Gemeinschaft sehr gut aufgenommen und sammle hier viele Erfahrungen.

Arthur Jocody wollte die Freiräume, die ihm der Ruhestand seit 2011 ermöglicht, sinnvoll ausfüllen. Daher nahm er bereits an den Passionsspielen 2012 teil, was bei ihm eine frohe Erfahrung von Gemeinschaft hinterlassen hat, so dass er auch in diesem Jahr wieder dabei ist. Der 68-jährige St.Vither spielt die Rolle des Hohenpriesters Hannas, der davon überzeugt ist, Jesus zum Kreuzestod verurteilen zu müssen, da er sich nicht an die  jüdischen Gesetze hielt. Leider würden auch heute noch sogenannte "Querulanten" von den Machthabern mundtot gemacht. Arthur Jodocy erwähnt hier die katalanische Autonomiebewegung wie auch Oppositionelle in der Türkei, in Russland, usw. Von Probe zu Probe gelinge es ihm besser, seine "nicht persönlich bejahte" Rolle authentisch zu spielen. Während für den Zuschauer die Aufführung eher ein "Eintagserlebnis" bleibe, sei sie für die Schauspieler ein echtes Stück Glaubenserfahrung, das sie die Botschaft Jesu neu entdecken lässt.

Die Familie von Irene Willems aus Heppenbach, welche die Rolle der Blinden spielt, spürt deutlich ihre Begeisterung und freut sich mit ihr. Das Zwiegespräch von Vater und Sohn und auch die Szene der Kreuzigung ergreifen sie jedes Mal aufs Neue.  Die Szene der Blinde, die sie spielen darf, berührt sie sehr stark, hat sie sich doch im Vorfeld intensiv mit dieser Rolle auseinandergesetzt. Diese Ebene mit dem Thema des Loslassens dürfte besonders junge Menschen direkt ansprechen, denn es begleite sie ein Leben lang.  Auch die 51-jährige Kindergärtnerin betont die "wunderschöne Gemeinschaft", die die Schauspieler zurzeit erleben.  "Es ist phantastisch, ein Projekt, begleitet von tollen Regisseuren, gemeinsam auf die Beine zu stellen, wobei sich jeder persönlich entfalten kann." 


Einblicke hinter die Kulissen der Passionsspiele

Die Schauspieler schenken uns so viel an Zeit und Energie

Im Triangel sind neben den siebzig Akteuren auf der Bühne nochmals so viele unentbehrliche Helfer(innen) anzutreffen – von Maskenbildnerinnen über Näherinnen, von der Ton- und Lichttechnik, der Kasse, den Platzanweisern und dem Ausschank im Foyer, dem Bühnen- und Requisitenbau bis hin zur Verpflegungsstation.

Bei Ingrid Krämer-Born aus Schönberg laufen seit vielen Wochen die Telefondrähte für die Kartenvorbestellungen heiß. Für die 56-jährige Mutter und Großmutter von vier Enkelkindern ist es „schon stressig, aber wenn man es gerne macht und voll dahinter steht, schafft man es, und das setzt immer neue Energien frei“. „Die Anrufer sind sehr nett, und manchmal vertieft man sich in ganz interessante Gespräche“, sagt sie, die vielen als die freundliche Stimme am Telefon bekannt sein dürfte und sich zudem darüber freut, dass sich auch so viele Gäste aus Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Luxemburg angemeldet haben. "Ich freue mich, wenn ich die vielen Menschen sehe, die sich mit Begeisterung für dieses große Projekt einsetzen."

 

Hier geht mal eine Naht auf, dort fehlt eine Sicherheitsnadel oder reißt ein Band. Dann muss man schnell mit helfender Hand zur Stelle sein. Das weiß am besten Melanie Reinartz-Scheuren aus Amelscheid, die mit zwölf weiteren Personen dafür sorgt, dass die Akteure „ordentlich“ auf die Bühne gehen. An dem farbenprächtigen Bild trägt die Gruppe der Näherinnen einen großen Anteil, denn mit viel Phantasie und Kreativität wurden die Kostüme von ihnen gefertigt. Und noch bis kurz vor den Proben ist die Lehrerin an der Maria-Goretti-Schule im Umkleideraum beim Anpassen, Abstecken und Zurechtrücken dabei, denn alle Kostüme sollen richtig sitzen, und die Schauspieler sollen sich darin wohlfühlen. Die 44-jährige gebürtige Maldingerin hatte bei der Aufführung 2007 der damaligen Leiterin Rosa Held ihre Hilfe bei der Herstellung der Kostüme angeboten. Dieses  erste Reinschnuppern bei den Passionsspielen hatte ihr damals so gut gefallen, dass sie auch in diesem Jahr mit Rose-Marie Servais aus Amel in der Verantwortung steht. „Wir sind eine Gruppe von zwölf Näherinnen, die  Hand in Hand zusammenarbeitet und bereit ist, den Spielern beim An- und Ausziehen und beim schnellen Wechsel der Kostüme von der einen zur anderen Szene oder Ebene behilflich zu sein“, freut sich Melanie Reinartz.

Vor den Schminkstühlen von Denise Hoffmann-Gallo (58) aus Atzerath und Marcella Keller-Schröderaus Schönberg und ihren vierzehn Mitarbeiterinnen, darunter vier Neulinge, stehen Männer, Frauen und Kinder Schlange, um den perfekten (Gesichts)Schliff zu bekommen. Denise Hoffmann hält sich am liebsten im Hintergrund auf und hat allmählich immer mehr Verantwortung übernommen "Die Passionsspiele geben ein besonderes Gefühl des Zusammenhalts, das macht Freude."

Das große Projekt, das gemeinsame Ziel und der Geist der Passionsspiele schweißen die Gruppe zusammen. „Die Gruppe, auf, vor und hinter der Bühne ist zu einer großen Familie zusammengewachsen und zieht in Ostbelgien immer größere Kreise“, sagt Rudi Kohnen vom Passio-Team. Der 60-jährige selbständige Polsterer ist ein Mann der erster Stunde, der beim ersten Passionsspiel als "Nikodemus" auf der Bühne stand und seitdem im Passio-Team als "Mann für Alles" die Übersicht bewahrt. Jeder bringt das ein, was er kann: Ideen, handwerkliches Können, Kochkünste für die Verpflegung der Schauspieler und Helfer(innen). "Es ist jedes Mal eine große Herausforderung Texte zu schreiben, welche die Zuschauer bewegen. Jesus-Darsteller Lothar Krämer hatte den Film "Dein Weg" gesehen, der sich hervorragend für die aktuelle Ebene eignete. "Auf diesen Film konnten wir aufbauen und die Texte und Szenen schreiben."

Hubert Gallo aus Rödgen, mitverantwortlich für die Werbung und mit 80 Jahren der Senior im Passio-Team,  freut sich, dass es „eine schöne Freundschaft und einen guten Zusammenhalt“ unter den Darstellern gibt. Das „Mädchen für alles“, wie er gerne genannt wird, ist dankbar für die große Hilfsbereitschaft die allerorts herrscht, um ein solches Projekt zu stemmen. „Ich freue mich über den Zuspruch aus Luxemburg, wie auch über die Resonanz bei den vielen deutschen Gästen, die kommen werden.  "Ich bin begeistert, wenn ich sehe, mit welcher Leidenschaft die Schauspieler/innen bei der Sache sind."

Und dann ist da noch das 60-jährige "Hausmütterchen", Rose-Marie Theodor, die für die Verpflegung der großen Schauspielergruppe und der Personen hinter den Kulissen zuständig ist. "Beim gemeinsamen Essen wächst die Gemeinschaft unter uns." Manche der Spieler schenken ihr viel Vertrauen und erzählen ihr auch von Sorgen oder teilen mit ihr Freud und Leid. "Die Schauspieler schenken uns so viel an Zeit und Energie, dass wir ihnen mit einer guten Verpflegung etwas zurückgeben möchten, weil wir sie sehr schätzen." (kli)

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