Predigten aus dem Leben gehalten von :Pfarrer Lothar Klinges,Lindenstraße 25, B - 4750 Bütgenbach-Weywertz Tel. 003280446069; Telefax: 003280447769 Zurück zur Predigtauswahl |
Predigten im Jahreskreis - 31. Sonntag - A
Mt 23,1-12 |
In jener Zeit wandte sich Jesus an das Volk und an seine Jünger und sprach: Die Schriftgelehrten und die Pharisäer haben sich auf den Stuhl des Mose gesetzt. Tut und befolgt also alles, was sie euch sagen, aber richtet euch nicht nach dem, was sie tun; denn sie reden nur, tun selbst aber nicht, was sie sagen. Sie schnüren schwere Lasten zusammen und legen sie den Menschen auf die Schultern, wollen selber aber keinen Finger rühren, um die Lasten zu tragen. Alles, was sie tun, tun sie nur, damit die Menschen es sehen: Sie machen ihre Gebetsriemen breit und die Quasten an ihren Gewändern lang, bei jedem Festmahl möchten sie den Ehrenplatz und in der Synagoge die vordersten Sitze haben, und auf den Straßen und Plätzen lassen sie sich gern grüßen und von den Leuten Rabbi - Meister - nennen. Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder. Auch sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel. Auch sollt ihr euch nicht Lehrer nennen lassen; denn nur einer ist euer Lehrer, Christus. Der Größte von euch soll euer Diener sein. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden. (Mt 23,1-12)Liebe Mitchristen, Es geht hier nicht darum, die damals lebenden Pharisäer zu verunglimpfen, sondern auf die Gefahr hinzuweisen, die sich in jeder Gemeinschaft breit macht: die Gefahr, sich hinter Vorschriften und Geboten zu verstecken, die Gefahr, Macht über andere auszuüben, und die Gefahr, durch Moralisieren von seinen eigenen menschlichen Schwächen abzulenken, den anderen Bürden aufzuladen, die man selbst nicht zu tragen vermag. In der Menschheitsgeschichte sehen wir diese "pharisäischen" Tendenzen immer wieder durchbrechen. Da traten immer wieder Moralisten auf, die den Menschen Höllenpredigten hielten, selbst aber nicht lebten, was sie anderen vorschrieben. Für mich ist das Evangelium von heute hochmodern, denn es zeigt die Gefahr auf, die weit verbreitet ist. Jesus wirft den Pharisäern vor, dass sie keinen Finger rühren, "um die Lasten wegzuschaffen" (nicht wie in der Einheitsübersetzung: "um die Lasten zu tragen"). Sie haben kein wirkliches Interesse am Menschen, weil sie ihr Leben nicht teilen, sondern sich über sie stellen. Diese Gefahr bestand nicht nur damals für die Pharisäer, sie stellt sich vielmehr jedem Menschen. Jesus mahnt uns, unsere Verkündigung daraufhin zu befragen, ob wir wirklich an den Sorgen und Nöten der Menschen teilhaben oder ob wir uns damit begnügen, Moralvorschriften zu verkünden, die dem Menschen nicht gerecht werden. Jesus will eine barmherzige und keine menschenverachtende Religion, eine barmherzige Moral und keine, die knechtet und ein schlechtes Gewissen hervorruft. Diese Worte Jesu gelten für jeden Christen, für jeden, der sich auf einen christlichen Weg macht, denn wir alle sind in Gefahr, zu beten um von anderen gesehen zu werden. Das geschieht bei uns sicher nicht so äußerlich, dass wir nur in die Kirche gehen, um von anderen anerkannt zu werden. Der Kirchgang ist heute kein Weg mehr, um Anerkennung zu bekommen.. im Gegenteil. Bei uns Christen schleicht sich jedoch leicht die Haltung ein: "Ich bin besser als die anderen. Natürlich habe ich auch schon bei Nichtchristen eine solche Haltung festgestellt, wie Nichtchristen mir sagten, dass sie zum Glück weiter denken und die Christen noch im tiefen Mittelalter leben würden. Genau, das prangert Jesus an, sich über andere zu stellen, zu sagen: Ich gehe den richtigen Weg. Die anderen sind die Dummen. Und schon stelle ich mich mir über andere. Das gibt mir das Gefühl, etwas Besonderes zu sein "Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder." Rabbi ist ein Ehrentitel und heißt "mein Gebieter" oder "mein Großer". Matthäus wendet sich gegen die Vorliebe mancher Menschen für schöne Titel. Die christliche Gemeinde besteht ausschließlich aus Brüdern und Schwestern. Alle stehen gleich unter dem einen Lehrer: Christus. Das Wort "adelphoi - Brüder" meint sowohl die Gleichheit der Christen als auch ihre Solidarität untereinander. Die Christen sollen sich auch nicht gegenseitig "Vater" nennen. Mit Vater bezeichnet man nicht nur den leiblichen Vater, sondern auch Respektspersonen, Lehrer und Wohltäter. Der letzte Satz scheint eine Wiederholung zu sein: "Auch soll ihr euch nicht Lehrer nennen lassen; denn nur einer ist euer Lehrer, Christus." (23,10) Rabbi ist ja auch schon der Lehrer. Doch hier verwendet Matthäus das griechische Wort "kathegetes". Der Ausdruck "kathegetes" meint den Lehrer, den "geistigen Berater". Kein Mensch darf über unser Gewissen bestimmen. Das ist allein Sache Gottes und Sache Jesu Christi. Kein geistlicher Begleiter darf uns sagen, was wir tun müssen, sondern allein Christus. Christus ist der innere Lehrer, der innere Meister, der uns auf Gott unseren Vater verweist, von dem wir alles Leben haben. Die Worte Jesu sind eine ständige Mahnung an jeden Christen, sich nicht von Menschen abhängig zu machen. Sie sind aber auch ein bleibender Stachel für die Kirche, die sich im Laufe der Jahre doch zu einer hierarchischen Kirche entwickelt hat. Offensichtlich ist es nicht möglich, auf Strukturen zu verzichten. Dennoch bleibt die Kirche mit ihrer Hierarchie unter dem Wort Jesu. Es bedarf einer grundsätzlichen Infragestellung kirchlicher Macht und Machtstrukturen. Offensichtlich kommt keine Gemeinschaft ohne Machtstrukturen aus, diese müssen aber immer wieder relativiert werden und sich unter den einen Gott und einen Lehrer und Meister Jesus Christus stellen. Wenn man in der Kirche zuviel vom Dienst des Bischofs und des Papstes spricht, verschleiert man die Macht, die dann de facto oft unkontrollierter und radikaler ausgeübt wird als in weltlichen Bereichen, wo man die Macht beim Namen nennt und gerade so begrenzt und relativiert. |