"Auf so eine Schule können wir stolz sein"

In Bütgenbach wurde feine Bildungsgeschichte geschrieben

Die Gemeinsame Grundschule als Inklusionsschule wurde am Freitagabend als belgienweite Premiere in Bütgenbach offiziell eröffnet und am Pfingstmontag mit einem großen Schulfest gefeiert.

"Anders ist normal, Anders sein vereint: wir gehören zusammen und sind nicht allein." So klang es am Freitagabend aus dreißig  Kinderkehlen anlässlich der offiziellen Eröffnung und Segnung der Gemeinsamen Grundschule Bütgenbach unter gemeinsamer Trägerschaft der Gemeinde Bütgenbach und der Deutschsprachigen Gemeinschaft. "Es gibt so vieles, was uns verbindet.  Wir sind vereint in der Vielfältigkeit.", sangen die Kinder des vierten und fünften Schuljahres mit ausdrucksstarken Gesten unter der Leitung von Lehrerin Margret Wey und endeten mit der eindringlichen Botschaft: "Wir wollen einfach Mensch sein." Damit war im Grunde alles gesagt.


Aber auch ein eigens aus diesem Anlass zusammengestellter Lehrerchor unter der Leitung von Ann-Sophie Theissen und Elena Palm brachten einen Grundgedanken der neuen Schule in dem Lied "Je vole", Titelsong des französischen Films "Verrstehen Sie die Béliers?", zum Ausdruck. Im Film kümmert sich eine hörende Tochter um ihre gehörlose Familie.

In einer beeindruckenden Eröffnungsfeier in der Schule unterstrichen Bürgermeister Emil Dannemark, Schulschöffe Daniel Franzen, Unterrichtsminister Harald Mollers und ZFP-Direktor Dirk Schleihs die Bedeutung dieses "denkwürdigen Tages" für eine Schule, die nun schon fast zwei Schuljahre gemeinsam unterwegs ist. Der Dank an alle Beteiligten stand im Mittelpunkt der Ansprachen. Die Gemeinsame Grundschule Bütgenbach (GGS) hat eine große Herausforderung und Verantwortung angenommen, "heterogene Gruppen in ihrer besonderen Vielfalt zu unterrichten," erklärte Schulleiterin Bianca Hermann, denn jeder, der hier arbeitet, hat sich dafür entschieden, den Weg zur inklusiven Schule mitzugestalten, um jedem Kind bestmöglich gerecht zu werden.  Sie ist sich sicher, dass alle Lehrpersonen gemeinsam noch viele Herausforderungen meistern werden, "denn hinter der GGS steht ein starkes Team".  Bianca Hermann betonte, dass Inklusion nicht nur in der Schule gelebt werden will, sondern auf im Dorf- und Vereinsleben. Sie ist künftig die alleinige verantwortliche Schulleiterin und wird dabei von zwei Koordinatoren unterstützt, wovon die eine Doris Langer aus Nidrum ist. Die andere Stelle ist noch vakant, nachdem sich Alwine Mackels dafür entschieden hat, als Lern- und Schulbegleiterin tätig zu werden. 

Einen konkreten und tiefsinnigen Einblick in die Entstehungsgeschichte der GGS von 2009 bis heute verschafften Bianca Hermann zusammen mit Daniela Dollendorf und Elena Palm. Nach über fünfjähriger Vorbereitungsphase traten im Juli 2015 die Lehrpersonen, die Paramediziner und die Direktion des Zentrums für Förderpädagogik Elsenborn (ZFP) ihre Reise zur Gemeindegrundschule Bütgenbach an. Abschiedsschmerz und eine gehörige Portion Ungewissheit angesichts der Zukunft waren vorherrschende Gefühle auf beiden Seiten. Dennoch gab es immer wieder auch Momente der Freude und der Motivation, besonders als die Kollegen den Namen ihres Team-Partners erfuhren, und die Zusammenarbeit immer mehr wuchs. Es galt, sich auf gemeinsame Schulregeln und eine neue Schulordnung zu einigen und sich auf neue Methoden einzulassen.  Am 1. September 2015 fand eine Startfeier für Kinder und Eltern mit lauter bunten Luftballons als Zeichen der Vielfalt statt.  "Das Eis war gebrochen und es herrschte eine aufbauende Atmosphäre", erinnert sich Bianca Hermann. Ende November 2016 fand der Umzug in den ersten fertiggestellten Teil der Schule statt. "Kinder und Lehrpersonen zogen gemeinsam in ein leeres Gebäude, um es mit Hilfe vieler Hände gemeinsam zu gestalten, einzurichten und mit Leben zu erfüllen."

Schulschöffe Daniel Franzen, dem mehrfach für sein  "offenes Ohr" und seine tatkräftige Unterstützung auch als "Mutmacher" gedankt wurde, skizzierte 50 Jahre Schulgeschichte in Bütgenbach, wobei das gemeinsame Unterwegssein immer wieder eine neue Herausforderung darstellte. Ausführlich ging er auf die Planungsarbeit in den Arbeitsgruppen ein. Sprach man zunächst von einem Umzug des ZFP Elsenborn in die Gemeindeschule mit integrativer Pädagogik, zeigte die Zukunftsvision der Arbeitsgruppen doch schnell in Richtung einer inklusiven Schule. "Es brauchte viel Überzeugungskraft, um diesen Schritt behutsam vorzubereiten."   Daniel Franzen erläuterte auch die Notwendigkeit der Sanierung der Schule, "die bereits lange vor 2010 fällig war." So kamen mit der Zusammenlegung von ZFP und Gemeindeschule neben den pädagogischen Herausforderungen auch umfangreiche infrastrukturelle Maßnahmen auf den Tisch, denn das Gebäude musste erweitert werden. Mit dem Architekturbüro FHW unter der Leitung von Oliver Henz und dem Studienbüro Ecorce konnten Mitte 2013 die endgültigen Pläne für ein Projekt in Höhe von 5.700.000 Euro vorgelegt werden, wobei die Deutschsprachige Gemeinschaft 86 % der Kosten trägt und die Gemeinde die verbleibenden 14 % nach Abzug jeglicher Zuschüsse.

Im September 2014 rollten die Bagger unter der Leitung des Generalunternehmers Wust an.  "Schulbetrieb und Baustelle am gleichen Ort hat zwar zusammengeschweißt, aber auch Nerven gekostet", erinnerte der Schulschöffe mit Dank an die Lehrpersonen.  Seit Sommer 2016 präsentiert sich ein offenes Gebäude, das sich nicht nur der neuen Pädagogik verpflichtet weiß, sondern auch weiteren Partnern ein Zuhause bietet, nämlich Kaleido-Ostbelgien, der Kreativen Werkstatt, dem Kitz, der Pfarrbibliothek, dem RZKB, dem Turnverein und dem Roten Kreuz, das hier Blutspenden durchführt. Die Einrichtung und Ausstattung für die neue Pädagogik der Schule beläuft sich auf 230.000 Euro, wovon die Gemeinschaft 60 % trägt und die Gemeinde 40 %.. Spezifisches Material des ZFP wurde zu 100 % von der Deutschsprachigen Gemeinschaft getragen.

Mit einem symbolischen Zeichen beendete der Schulschöffe seine engagierte Ansprache und überreichte allen einen "Orden" (Anstecker). Vier Personen, die - passend zum Pfingstereignis - für den "guten Geist" im Haus gesorgt, die Gesamtvision stets im Blick bewahrt haben und mehrfach erwähnt wurden, Alwine Mackels, Bianca Hermann, Doris Langer und Irmgard Schommers, steckte er den Orden persönlich an.

Bürgermeister Emil Dannemark freute sich über die "Erfolgsgeschichte" als Frucht eines langen Planungsprozesses. "Die Kleinheit der Deutschsprachigen Gemeinschaft macht vieles möglich", freute sich der Bürgermeister und dankte für die "echte Partnerschaft" mit der DG und den "ständigen Dialog" mit allen Beteiligten. Das große Interesse an der Schule über Ostbelgien hinaus zeige nochmals die Bedeutung dieses Vorzeigeobjektes. Jacky Lauffs von der Versicherungsgesellschaft Ethias gratulierte der Schule, die landesweit unter 102 Kandidaturen in der Kategorie Öffentliche Körperschaften nominiert wurde und Platz zwei errang.

Für den zurückgelegten Weg, aus zwei Schulen, eine zu machen, habe es keine "Gebrauchsanweisung" gegeben, sagte ZFP-Direktor Dirk Schleihs. "Dieser Weg musste im Tun geschaffen und gefunden werden, denn auf beiden Seiten gab es viele Bedenken." Die ersten Ergebnisse nach "dem Sprung ins kalte Wasser" seien mehr als positiv, freute sich der ZFP-Direktor. Trotz und gerade wegen der Inklusion braucht es für Förderschüler eine Rückzugsmöglichkeit, die liebevoll "Regenbogenklasse" genannt wird, aber meistens leer ist. "Das ist ein Erfolg, denn es bedeutet, dass die meisten Förderschüler  bereits in den Klassenverbänden integriert sind." Nach dem richtunggebenden Paradigmenwechsel insbesondere der Lehrer sei das eine Leistung, "auf die wir stolz sein dürfen." Eine Inspektorin des Förderschulwesens der Stadt Lüttich meinte jüngst, dass Ostbelgien zwanzig Jahre Vorsprung habe. "In dieser Schule ist jetzt bereits feine Bildungsgeschichte geschrieben worden", betonte Dirk Schleihs. Es sei auch ein wichtiger Beitrag für die Demokratie, die nur in der Gemeinschaft der Unterschiedlichen gelernt werden kann. "Auf so eine Schule können wir stolz sein, denn man hat sich in  Bütgenbach hehre Ziele gesteckt und ist dabei, die ersten Kapitel zu beenden. Ich freue mich auf alle weiteren." 

Bildungsminister Harald Mollers erinnerte daran, dass der Ursprung der GGS Bütgenbach auf die Verabschiedung des Förderdekrets und auf die Ratifizierung der UN-Konvention im Eupener Parlament zurückgeht mit der Vision, dass jeder Schüler ein Förderschüler ist, es keine isolierten Förderschulen mehr geben soll und Heterogenität eine Chance für die Unterrichtsentwicklung darstellt. "Die Schule soll ein Ort sein, an dem es normal ist, verschieden zu sein", betonte der Minister.  Auf diesem Hintergrund begann die Geschichte der GGS Bütgenbach mit dem Ziel, "die Potenziale jedes Schülers zu fördern, denn jeder Schüler gewinnt von den Möglichkeiten, welche die neue Schule bietet.

Am Ende der rund zweistündigen Feier erhielt die Schule den kirchlichen Segen, wobei mehrere Kinder mitwirkten, bevor Schulleiterin Bianca Hermann das Band zum Schuleingang durchschnitt. Am Tag des Schulfestes und der offen Tür am Pfingstmontag durfte sich jeder ein eigenes Bild machen.

  Fotos vom Schulfestgottesdienst am Pfingstmontag, 5. Juni 2017

 

CHRONOLOGIE

  • 1965

Eröffnung der staatlichen Schule Bütgenbach: Primär, Kindergarten, Sekundär Unterstufe, Abitur, Abendschule

  • Sept. 1969

Gründung einer Sonderschule für Kinder mit körperlichen und geistigen Behinderungen in Elsenborn - erst mit 10 Schülern in einem Privathaus, später in 1970 im neu errichteten Gebäude an der Lagerstraße

  • 1969           

zog die Mädchenschule in die Knabenschule am Marktplatz. Der Kindergarten zog in die ehemalige Mädchenschule, Mariengasse, ein.

  • 1984           

Die Dorfschule Berg wurde geschlossen und die Kinder besuchen seit diesem Moment die Schulen in Bütgenbach

  • 1986           

wurden Kindergarten und Primarschule nach einem Anbau am renovierten Gebäude gemeinsam in der Gemeindeschule Bütgenbach untergebracht

  • 1994           

wird aus der Sonderschule Elsenborn die Grundschule für differenzierten Unterricht (Zusammenlegung mit der Niederlassung Sankt Vith)

  • Juni 2000    

erfolgte dann die Schließung der Sekundarabteilung am KAB

  • 2002 - 2003   

Fusion der Grundschule des Königlichen Athenäums Bütgenbach und der Gemeindeschule Bütgenbach am Standort des ehemaligen Königlichen Athenäums Bütgenbach. Die Gemeinde Bütgenbach wird Träger dieser fusionierten Schule.

Bei der Lektüre vergangener Berichte fiel auf, dass man im Infoblatt der Gemeinde Bütgenbach von Ende 2002 die Umsetzung dieser Fusion bereits unter das Motto „GEMEINSAM UNTERWEGS" gestellt hat. Damals wie heute sehr treffend.

  • 2007           

wurde entschieden die im Abendschule zu schließen

  • 2009           

wird die GDU Bestandteil des Zentrums für Förderpädagogik in der DG

  • Juni 2010    

Schließung der französischen Abteilung in der Grundschule Bütgenbach

  • 2010           

Beschluss der Zusammenlegung des ZFP Elsenborn und der GS Bütgenbach 2014           

Start der Umbauarbeiten

  • September 2015  

Start der Gemeinsamen Grundschule Bütgenbach

  Fotos vom 1. Schulfest der GGS Bütgenbach am Pfingstmontag, 5. Juni 2017

 

 

Segnung der Grundschule - Schulfestgottesdienst - Diese Schule ist ein Segen


Diese Schule, die eine Förder– und eine Regelgrundschule in sich vereint, ist nicht nur ein Segen für die Schulgemeinschaft, sondern auch für Bütgenbach und Ostbelgien. Am Freitag segnen wir diesen Ort als Zeichen dafür, dass Gott hier ist bei allem, war wir hier tun und erleben.

 

 

Gemeinsam unterwegs

Schulfest der Gemeinsamen Grundschule

Seit im Jahre 2010 zum ersten Mal von der Möglichkeit gesprochen wurde, das ZFP Elsenborn nach Bütgenbach zu verlagern und der Gemeindegrundschule Bütgenbach anzugliedern, ist vieles passiert. Es wurde geplant, beraten, erste Kontakte geknüpft, nach und nach gemeinsame Aktivitäten geplant und es stand im Sommer 2015 der Umzug des ZFP Elsenborn nach Bütgenbach an. Am 1. September 2015 wurde in ein erstes gemeinsames Schuljahr gestartet. Zu diesem Zeitpunkt glich die Schule Bütgenbach allerdings einer Baustelle, also musste zusammen gerückt werden und alle zogen am gleichen Strang. Nach und nach wurden die Räumlichkeiten fertig gestellt und im Dezember 2016 wurde die Schule mit neuem Mobiliar ausgestattet.

Am Pfingstmontag, 5. Juni, findet das erste Schulfest der Gemeinsamen Grundschule statt:

11.15 Uhr: Schulfestmesse in der Pfarkirche St. Stefanus.

Die weiteren Programmpunkte in der Schule sind wie folgt:

  • ab 12 Uhr: Grill
  • ab 13 Uhr: Kaffee und Kuchen
  • ab 13.30 Uhr: Darbietungen, Ateliers, Animationen, Kinderschminken, Musik Kreativität. Ausklang mit Musik

  Fotos vom ersten Schultag im September 2015

  Fotos vom ersten Schultag im September 2016

  Umfangreiche Fotogalerien zur Grundschule Bütgenbach

Inklusion – Die Gemeinsame Grundschule Bütgenbach, eine inklusive Schule

Angestoßen durch die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen verbindet sich mit ihm die Wertschätzung von Vielfalt sowie die Stärkung von Teilhabe in unserer Gesellschaft. Inklusion ist zum Leitbild eines umfassenden Wandels geworden: Wie schaffen wir es, dass Barrieren, Vorurteile und Trennungen abgebaut werden? Wie können Menschen trotz all ihrer Verschiedenheit gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben? Wie können wir angesichts der Erfahrung unseres begrenzten und verletzlichen Lebens ein solidarisches Miteinander entwickeln? Mit dem Wort Inklusion wird ein Paradigmenwechsel markiert. Es geht nicht mehr um die Integration einer kleinen abweichenden Minderheitsgruppe
in die »normale« Mehrheit. Vielmehr soll die Gemeinschaft so gestaltet werden, dass niemand aufgrund seiner
Andersartigkeit herausfällt oder ausgegrenzt wird.

 

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